In der lateinischen Kirche beginnt die harsche Ablehnung der
Juden schon mit dem ersten lateinisch schreibenden Theologen, mit
Tertullian (ca. 160–220). Bereits am Ende des 2. Jahrhunderts
entwickelt er in seiner Schrift gegen die Juden eine Argumentation,
die durch die Zurückweisung des jüdischen Irrtums zur
Herausbildung eines christlichen Gesetzesverständnisses
führt. Der Text spiegelt in besonderer Weise das Problem
gleichzeitiger Abgrenzung und Akkulturation der frühen
Christen im Spannungsfeld zwischen einem pagan-römischen,
jüdischen und christlichen Gesetzesverständnis. Das Alte
Testament bildet die Folie für eine Zurückweisung der
Juden zugunsten eines christlichen Absolutheitsanspruchs. Damit
steht Tertullian programmatisch am Beginn der christlichen
Adversus-Iudaeos-Literatur.
Zum ersten Mal liegt mit diesem Band eine vollständige
deutsche Übersetzung des Textes vor. Die umfassende Einleitung
macht sowohl die gedankliche Struktur als auch den
zeitgeschichtlichen und literarhistorischen Kontext der Schrift
sichtbar. Sie zeigt, daß dieses Werk nicht nur
traditionsgeschichtlich zur Aufarbeitung und zum Verständnis
des christlichen Antisemitismus beiträgt, sondern auch
wichtige Gesichtspunkte für aktuelle Diskussionen
erschließt.
Regina Hauses, Dr. phil., ist wissenschaftl. Mitarbeiterin
am Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität
Duisburg-Essen.